Erinnerungspolitik verbessern
Man kann in den Nachrichten immer wieder davon hören, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern und generell überall auf der Welt extremistische Kräfte immer weiter zunehmen und populärer werden. Was eine komische Meldung ist, denn Deutschland wird da in einem Atemzug mit allen anderen Ländern genannt. Dabei hat Deutschland mit die wahrscheinlichs ausgeprägteste Erinnerungskultur der Welt, sie ist integraler Bestandteil der Bildung und der Medienlandschaft. Heißt das, diese Kultur, mit der mittlerweile mehrere Generationen aufgewachsen sind, hatte überhaupt keine Wirkung, wenn wir genauso dastehen wie alle anderen Länder, die keine Erinnerungspolitik auf diesem Level haben?
Die Antwort ist: doch, sie hatte eine Wirkung. Doch die Erinnerungskultur besteht aus zwei Komponenten: 1. sich an die schrecklichen Taten der Vergangenheit zu erinnern und ihrer Opfer zu gedenken und 2. daraus zu lernen und so etwas niemals zu wiederholen. Was aber beim zweiten Punkt nicht beachtet wurde ist die schiere Beschränktheit der Menschen.
Einer der Mängel der zweiten Komponente ist, dass viel zu viel Gewicht auf das wer und was gelegt wird und nicht auf das wie. Dass Taten untrennbar mit gewissen Personen, Parteien und politischen Richtungen verbunden werden, statt die Methoden dieser zu beleuchten, die auch von jedem anderen hätten angewendet werden können. Das Ziel davon, etwas niemals wieder geschehen zu lassen, besteht nicht darin, dass es nur für eine spezifische politische Richtung gilt, sondern dass es für absolut jede politische Richtung gilt.
Für einen Normalo bedeutet Politikverständnis lediglich, dass es gewisse Schlagwörter gibt, die er mit einer Wertung assoziiert, meist eine emotionale Wertung. Hört er politisch geladene Wörter wie "Sozialismus", "Rassismus", "Patriarchat" etc., wird in ihm automatisch eine Emotion ausgelöst – positiv oder negativ – die durch Medien oder anderen einflussreichen Leuten in seinem Leben für ihn programmiert wurden. Diese konditionierte Denkweise mit Assoziationen ist sein einziger Zugang zu Politik und so sieht er die Welt.
Wenn dieser Mensch nun sein ganzes Leben lang gesagt bekommt "Partei X hat Y getan" und "X ist Schuld an Y und demnach ist das Weltbild von X Ursache", dann kann er nicht anders als eine untrennbare Assoziation zwischen diesen Dingen herzustellen. Jetzt könnte ein Politiker kommen, der ebenfalls für jeden ersichtlich Y machen will, aber der Normalo würde das nicht merken, solange der Politiker nur ein einziges Indiz gibt, dass er nicht das gleiche Weltbild wie X hat – schon würde die ganze Assoziationskette zusammenbrechen.
Das ist der Grund wieso z.B. neue rechte Bewegungen offen Pro-Israel auftreten und sich entschieden gegen Nationalsozialismus aussprechen. All die negativen Dinge, die der Normalo bisher gelernt hat mit den Nazis zu verbinden, werden für ihn absolut keine Verbindung zu neuen Rechten haben, da diese ja keine Nazis sind. Dass die darunterliegenden Denkweisen oder Agitationsmethoden die gleichen sind, ist für ihn zweitrangig, da er nur in Schlagworten denken kann.
Das sollte bei der Erinnerungspolitik immer bedacht werden, zumindest für die zweite Komponente sollte nicht so viel Fokus auf Schlagworte gelegt werden, sondern auf die Umstände und die Wege, wie diese ausgenutzt wurden. Man sollte sich vor Augen führen, dass sehr viele Menschen nicht auf solche Weisen denken können und deswegen das immer wieder unterstreichen.
Die Devise sollte lauten, Weg von Worten, hin zur Bedeutung. Dieser starke Fokus auf Worte wird in vielerlei Weisen ausgenutzt. Beispielsweise versuchen neue Rechte seit Jahren schon die Nazis in das linke Lager zu schieben, weil es heißt ja "Nationalsozialismus" und Sozialismus ist links! Es wird ausgenutzt, dass Menschen mehr auf die oberflächliche Bezeichnung achten, als auf den Kern. Fragt sich nur, wann die ersten Faschisten auf die Idee kommen Nordkorea als ein Beispiel für schlechte Demokratie zu nehmen... weil es heißt ja Demokratische Volksrepublik Korea.