Illuminaten
Theorien über geheime Welteliten, die im Hintergrund die Fäden ziehen, sind erstaunlich inkonsistent. Die Erzählungen reichen von mächtigen Politikern, von Geheimgesellschaften, von Geheim- und Nachrichtendiensten, von elitären Organisationen, von Zusammenschlüssen aus Politikern, einflussreichen Unternehmern, Medienmachern usw. bis zu einigen wenigen Familien. Dabei existeren diese verschiedenen Versionen nicht wirklich parallel zueinander, sondern ihre Anhänger glauben an alle gleichzeitig. Schauen sie sich ein Video zur NWO oder Bilderberger an, halten sie diese für die Elite; wenn sie aber ein paar Tage später einen Artikel zu Skull & Bones oder zur Freimaurerei lesen, sind sie auch davon genau so überzeugt. Wird daraufhin in den Nachrichten über einen Minister berichtet, der etwas getan hat, was ihrer Meinung nach schädlich für das Land ist, ist er genauso Teil der Elite, selbst wenn nicht bekannt ist, dass er jemals an irgendwelchen geheimen Konferenzen teilgenommen hat.
Was Leute als Elite oder als Illuminati bezeichnen, ist eher ein Eindruck, als wirklich etwas greifbares. Dass sie sich nicht auf eine Entität festlegen, liegt daran, dass diese verschiedenen Versionen nur Formen sind, die die Elite einnimmt. Man kann es vergleichen mit henotheistischen Religionen, wie dem heutigen Hinduismus. Es gibt tausende Götter, aber sie sind Ausdruck der einen und höchsten Gottheit Brahman. Ich nenne es deshalb Henoilluminatismus. Die Pyramide, auf der jede Stufe eine andere elitäre Gruppe darstellt, aber die Spitze, das allsehende Auge, das alles kontrolliert und lenkt und von der niemand von uns wirklich weiß, wer sie sind, wie sie heißen, wie sie aussehen, ist die Verbildlichung des Henoilluminatismus.
Dass es eine dunkle Kraft im Hintergrund gibt, die das Weltgeschehen lenkt, ist die Prämisse. Sie ist die Spitze der Pyramide, aber gleichzeitig das Fundament der Theorie. Wenn sie akzeptiert ist, folgt alles andere logisch daraus. Dass das Auge aber überhaupt existiert, ist reine Glaubenssache, es gibt keine Beweise für sie, nur Anhaltsspunkte. Und die Anhaltspunkte sind alle anderen Stufen der Pyramide, die in den Theorien als Ausdruck des Auges fungieren. Es ist wie in den Religionen, in denen Gott seinen Sohn oder andere Propheten auf die Erde schickt, als ein brennender Busch auftritt oder Engel herabsendet, um seine Botschaft zu verkünden. Gott selbst hat niemand gesehen; man glaubt an ihn, weil er sich Ausdruck verschafft hat durch andere, greifbarere Dinge.
So wie in den Beispielen von Gott, ist auch die Illuminatentheorie nichts weiter als eine Religion. Menschen halten an ihnen fest, weil sie ihnen die Phänomene des Systems verständlich erklärt. Jedoch stellt die Illuminati nicht die gute oder göttliche Seite der Religion dar (das tut der Humanismus und das Gesetz[1]), sondern die Seite des Teufels.
Im Mittelalter hat der Teufel dazu gedient, die schlechten Seiten des Lebens zu erklären. Ob es Zweifel am Glauben waren oder sie einen Verrückten begegnet sind, der Teufel hatte die Finger im Spiel. Im Laufe der Zeit hat der Teufel aber an Bedeutung verloren, viele Menschen haben gesehen, dass schlechte Dinge ganz normale, plausible Erklärungen haben können. Dass selbst wenn jemand verrückt ist, es nicht bedeutet, dass er von Dämonen besessen ist. In die Lücke, die der Teufel hinterlassen hat, ist dann die Illuminatentheorie getreten – eine elitäre Gruppe, die mutwillig versucht den Menschen zu schaden, um ihre bösen Pläne voranzubringen.
Es ist dieser Glaube an das absolut Böse, der fortbesteht. Der Teufel war immer ein Synonym dafür, ein Ausdruck des Bösen, Gegenstück zu Gott, der ein Ausdruck des absolut Guten ist. Dass die Illuminati in die gleiche Kerbe schlägt, sieht man daran, dass man sie satanisch nennt. Das Pentagramm ist ihr Zeichen, sie verehren Baphomet und nehmen an okkulten Menschenopfer-Ritualen teil. Es ist nichts anderes als die Theorie des Teufels, die sich so in der modernen Zeit Ausdruck verschafft.
- Dass der säkulare Staat die moderne Religion darstellt, erklärte ich bereits in "Das evolutionäre Prinzip"